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Ulrike Kregel Liebe denken Passagen Verlag Philosophie Liebe Kulturtheorie

Ulrike Kregel

Liebe denken

Passagen Verlag

Passagen Philosophie

Wien 2018

170 Seiten

15,5 x 23,5 cm, broschiert

ISBN 978-3-7092-0305-7

 

 

„Lieben, sich binden und frei sein. […]"

                                                                                                                            

Freiheit ist immer konkret und auf etwas bezogen. Sie existiert weder an sich noch als absoluter Wert. Stets ist sie die Freiheit eines Jeweiligen in Bezug auf etwas Jeweiliges. Das heißt, wir können nie an sich oder absolut frei sein, sondern lediglich in unseren Bezugnahmen auf oder zu etwas. Absolut frei zu sein würde bedeuten, frei von jeglicher Art des Bezuges zu sein. Ein Losgelöstsein, das allein das Nichtsein, den Tod kennzeichnet. Im Leben ist die Freiheit eine Qualität und ein Potential, das dem Menschen in seiner Existenz zufällt. […] 

Allerdings beginnt die menschliche Existenz gänzlich unfrei, denn generell obliegt es keineswegs unserer Wahlmöglichkeit oder Entscheidung zu existieren. Ebenso wenig haben wir eine Wahl hinsichtlich der Endlichkeit und der allgemeinen Vulnerabilität und Insuffizienz unserer Existenz. Schon gar nicht steht es uns frei, unsere ersten und notwendigen, da lebenssichernden Bezugnahmen und das daraus resultierende Fremdbestimmtsein sowie unsere genetischen Präformationen zu wählen.

Eben deshalb ist die Freiheit nicht absolut. […] Freiheit ist eine ontologische Konstante und anthropologische Variable, die sich allein im Verhältnis sowie in der Differenz zur Unfreiheit begreifen lässt. […] 

 

In unserem Verhältnis zur Welt, zum anderen sowie zu uns selbst konstituiert sich Freiheit als Freiheit der Wahl angesichts der Unfreiheit des Gegebenen. Die Grenze gerät zum Konstituens der Freiheit als Wahlfreiheit, die ihr größtmögliches Potential in der freien Wahl des Endes, im Leben allerdings in der freien Wahl der Liebe als größtmöglicher Anbindung und Beschränkung findet.

 

Freiheit setzt die Unfreiheit, das heißt die Grenzen der Freiheit voraus, denn allein in der Differenz zu dem, was nicht unserer Wahl obliegt und also gegeben ist, können wir Freiheit begreifen. Freiheit wird daran erfahrbar, dass es mehrere Möglichkeiten für ein Wollen und Tun geben muss, zwischen denen wir wählen können. Sie etabliert sich immer als konkrete Freiheit, das heißt vor dem Horizont der abstrakten Freiheit - nämlich vieler - in extremis der absoluten Freiheit - also aller denkbaren Optionen eines Wollens und Handelns. Freiheit muss in der Wahl ergriffen werden. Wenn wir allerdings etwas und damit uns wählen, so mündet dieses Ergreifen der Freiheit, dieses Setzen oder Geben von etwas, gemessen am Absoluten aller möglichen Setzungen zwangsläufig wiederum in der Unfreiheit als der für diesen Akt notwendigen Beschränkung.

 

Die Negativität der Unfreiheit des Gegebenen trifft auf die Negativität der Unfreiheit der selbst gewählten Setzung als Beschränkung und führt in dieser doppelten Negativität zur Positivität der Freiheit als Wahl. Erst mit dem Eintritt in die selbst gewählte Unfreiheit eröffnet sich die Möglichkeit zur Freiheit als Freiheit der Wahl. Freiheit, das ist der Ruf nach der Grenze (peras) angesichts des Unbegrenzten (ápeiron), der in uns aus der Begrenztheit als Ruf nach dem Gleichen wie ein Echo ertönt. […]

Lieben heißt frei sein. Freisein in den Grenzen der Anbindung an den Anderen, in denen wir zu uns kommen können. Lieben ist das Anerkennen der Unfreiheit und das Setzen der selbstgewählten Unfreiheit der Zwei und in dieser doppelten Negativität ist die Liebe Freiheit - als eine Freiheit der Wahl.“

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